Die schwarzen Schafe der Branche
Schwarze Schafe gibt es bedauerlicherweise mehr als man denkt. Das ganze Dilemma fängt bereits bei mangelhaften Schulungen an. Und es wird trotz NiSV nicht wirklich besser.
Original-Zitat aus der Email einer Kollegin: „Denn es gibt soviele "schwarze Schafe" unter der Bezeichnung Ausbildung, so daß viele Neue die daran teilgenommen haben, eigentlich nicht als Elektrologistin arbeiten sollten.“ Ich stimme dieser Aussage zu, mein Vorschlag zur Verbesserung der Situation blieb nur leider unbeantwortet. Doch wieso wird es immer schlimmer? Dank der Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV)*1 ist genau das eingetreten was ich befürchtet hatte. Die Nachfrage nach Schulungen für die Elektroepilation steigt an, insbesondere aus der Gruppe der Kosmetiker und Anwender der dauerhaften Haarentfernung, die eine Fachkundeschulung „Optische Strahlung“ und/oder „EMF-Kosmetik“ absolviert haben. Manche Dozenten bewerben regelrecht die Elektroepilation als zusätzliche Dienstleistung, insbesondere wenn man die Fachkundeschulung „EMF-Kosmetik“ ohnehin schon absolviert hat. Und natürlich als Ergänzung zur Haarentfernung mit Laser und anderen lichtbasierten Geräten.
Das bringt gleichzeitig so manchen Anbieter der Elektroepilation auf die Idee einen kleinen Nebenverdienst einzustreichen. Denn eins ist gewiss, die Nachfrage nach der Elektroepilation steigt seit Jahren an. Also warum nicht auch noch Schulungen anbieten, bevor es andere tun. Die Schulungsunterlagen sind schnell erstellt, jetzt noch bei Facebook, Instagram und TikTok werbewirksam zum Schnäppchenpreis anbieten und schon melden sich die ersten Teilnehmer an. Fällt die Ausgestaltung von Schulungsunterlagen eigentlich unter künstlerische Freiheit, wenn die Inhalte ge-copy-pasted wurden? Ich frage für eine Freundin.
Fun Fact: Eine Anbieterin behauptet „das Erlernen der Elektro-Epilation erfordert eine längere Spezial-Ausbildung“. Leider findet man keine Angabe über die Dauer der von ihr absolvierten „Spezial-Ausbildung“. Wenn ich mir das Epilationsgerät anschaue, mit dem die Anbieterin arbeitet, dann waren es exakt zwei Tage. Erstaunlich, was manche als lang beschreiben oder möglicherweise sogar empfinden. Aber wer fragt schon genauer nach, wenn es im Internet steht, dann wird es schon so gewesen sein und speziell ist die Elektroepilation in der Tat. Aber die Qualifikation prüft niemand und in einer nicht anerkannten Tätigkeit macht ohnehin jeder was er will. Das ist den wenigsten Kunden bewusst, außerdem wirken die vielen Zertifikate an der Wand vertrauenerweckend.
Und die Schulungsteilnehmer? Die sind entweder ahnungslos oder übersehen ganz bewusst, dass es sich bei der Elektroepilation um eine handwerkliche Tätigkeit handelt, die sehr hohe Anforderungen an die feinmotorischen Fähigkeiten stellt. Nadel rein in die Haut, Strom drauf und Haare rupfen, ist Lichtjahre entfernt von einer fachgerechten Elektroepilation. Und für alle, die es nicht wussten: Ein Epilationsgerät epiliert nicht, es ist nur ein „Werkzeug“. Der Bohrhammer kann auch nicht selbständig Löcher in die Wand bohren. Heißt, ein Gerät ersetzt keine Fachkenntnis und Unkenntnis bezahlen die späteren Kunden meist teuer. Wie die Kundin*2, die ihre Haut 400 Stunden lang einer unprofessionellen Behandlung ausgesetzt hat. Sie dachte, das sei normal. Der Anbieter hatte schließlich jahrelange Berufserfahrung, war Verbandsmitglied und behauptete führender Anbieter zu sein. Sie hat immer noch Haare und bleibende Hautschäden. Ich habe sie an eine kompetente Kollegin verwiesen. Oder der Kunde*3, der nach über 100 Stunden Behandlung immer noch eine vollständige Achselbehaarung hatte. Ich habe seine Achseln in unter 10 Stunden Haarfrei behandelt. Oder die Kundin, die erst kürzlich zu mir wechselte, nachdem ihr die vorherige (auch eine langjährige) Elektrologistin nach einem Jahr mitteilte, dass die Behandlung ihrer Kinnhaare bis zu 150 Stunden beanspruchen könnte. Es handelt sich um eine übersichtliche Menge an Haaren am Kinn, aus meiner Sicht höchstens 5 Stunden Arbeit und da habe ich schon großzügig kalkuliert. Oder die Kundin, die schon drei Elektrologisten und unzählige Stunden erfolglose Behandlungen hinter sich hatte, bevor sie sich bei mir vorstellte. Und nicht zu vergessen die Kundin*4, die nach sechs Jahren und zwei Elektrologistinnen die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, jemals ihre Haare im Gesicht loszuwerden. Inzwischen sind auch andere Areale haarfrei. Woche für Woche erhalte ich Anfragen von Kunden, denen ähnliches passiert ist. Alle diese Menschen haben eins gemeinsam, sie sind unfassbar geduldig, diese Geduld ist nur mit einem immensen Leidensdruck zu erklären. Die Frage, ob der Leidensdruck dieser Menschen schamlos ausgenutzt wurde, ist berechtigt. Denn keine dieser Elektrologistinnen und Elektrologisten kam auf die Idee, dass der ausbleibende Erfolg mit einer schlecht ausgeführten Behandlung zu tun haben könnte.
Zurück zur Schulung, denn hier liegt die Ursache für das ganze Dilemma. Nach drei Tagen sind alle glücklich und halten ein hübsches „Zertifikat“ in den Händen, dazu ein Epilationsgerät und ein paar Epilationsnadeln im Gepäck. Über die Preisgestaltung hatte man sich auch ausgetauscht, irgendjemand hatte von 150 Euro als empfohlener Stundensatz gehört. Aha, aber ist ja auch eine anspruchsvolle Tätigkeit, für die eine Spezial-Ausbildung erforderlich ist. Bevor es nach Hause geht noch schnell in die Kamera lächeln fürs Gruppenbild bei Instagram und Co. und schon starten vier neue „zertifizierte Elektrologisten“ voller Tatendrang und geballtem Halbwissen durch. Es gehört schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein dazu, vielleicht auch Selbstüberschätzung.
Mein Appell geht an die, die Halbwissen verkaufen und an die, die oberflächliche Kenntnisse für ausreichend halten. Nehmt Euch die Zitate von Sokrates „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ und Albert Einstein „Das Wichtigste ist, dass man nicht aufhört zu fragen.“ zu Herzen.
Meine Anerkennung hingegen geht an alle, die sich nach einer 3-tägigen Schulung erstmal hinsetzen und reflektieren. Die ihr neu erworbenes „Können“ nicht an unschuldigen Kunden ausprobieren. Die erkennen, dass drei Tage erst der Anfang sind. Die mit Respekt, Demut und Gewissen an die Elektroepilation herangehen. Die nach Weiterbildungsmöglichkeiten suchen. Die, die wissen, dass sie nichts wissen und nicht aufhören Fragen zu stellen. Macht was draus!
Meine Bitte an Kunden: Lassen Sie sich Behandlungsbeispiele zeigen und erklären. Fragen Sie nach den dafür in Summe benötigten Behandlungszeiten. Wenn Sie spüren, dass die Haare gezupft werden, ist die Behandlung unbrauchbar. Seien Sie skeptisch, wenn das Epilationsgerät stärker beworben wird als das Handwerk. Viel Erfolg!
Und falls jemand glaubt, ich hätte mir das mit den Schulungen ausgedacht. Leider nein! Ich habe selbst 2001 eine 3-tägige Schulung absolviert, weil es in Deutschland nichts anderes gab und bis heute gibt. Nach meiner ersten Schulung habe ich alles Wissen, das ich kriegen konnte, inhaliert und Stunden über Stunden geübt, bevor ich 2002 meine ersten Kunden behandelt habe. Auch nach über 20 Jahren lerne ich noch dazu, werte meine Behandlungen aus, überprüfe die Ergebnisse und bin immer offen für neue Erkenntnisse. Inzwischen biete ich auch Schulungen an, die dauern aber deutlich länger als drei Tage, ich habe halt viel mitzuteilen an meine zukünftigen Kolleginnen. Meine Erfahrungen lassen sich nicht auf drei Tage zusammenschrumpfen und das Handwerk einer fachgerechten Elektroepilationsbehandlung zu erlernen braucht Zeit. Auch wenn es einerseits bedenklich stimmt, dass sich viele nicht mehr melden, nachdem sie meine Schulungskonditionen angefragt haben, so darf man es andererseits auch als Vor-Selektion betrachten.
*1 https://www.elektro-epilation.de/haarentfernung-wissen/nisv-zertifiziert-qualifiziert
*3 https://www.elektro-epilation.de/praxisrundgang/beispiele/achselbehaarung-2